Die nahezu doppelte Feuerdistanz der neuen Artillerie machte aus Zamość eine… zu kleine Festung. Der potenzielle Feind
war imstande, seine Artillerie in einer Entfernung aufzustellen, die für die Festungsartillerie unerreichbar war und… die Stadt massakrieren konnte. Es rächte sich die Abweichung von der Idee, die während des Herzogtums Warschau und sogar noch früher, in der kurzen Herrschaft Österreichs vorschwebte – die Idee des Ausbaus von Zamość im Gelände und der Vertiefung der Verteidigung. Die Festung wurde in den 40er Jahren des 19. Jhs. geradezu in ihrem historischen Grundriss „konzentriert”. Sie wurde innen perfektioniert, ihre Außenwerke hingegen –
ravelin*/Lünette* und
kontergarde* wurden nicht mutig genug weit hinausgeschoben, sondern verblieben wie „angewachsen” am Hauptkreis der Befestigungen. Das modernste, dauerhafte Werk der Festung war die Turmbatterie, die in die Tiefe des Beckens der Großen Zalewa hinausgeschoben war und, möglicherweise, die begonnene Kreisbatterie gegenüber der Front des Ravelins – der Lünette vor der
kurtine* VI-VII. Diese waren nicht imstande, die Festung an die neuen Bedingungen anzupassen. Das modernste Werk, das jedoch nur von vorläufigem Charakter war, war die in den Jahren 1954-55 modernisierte Lünette zwischen den Bastionen VI und VII. In diese wurde eine mächtige, jedoch ausschließlich aus Erde – also ohne Kasematten - aufgeschüttete, Mittelschanze-
redoute* eingebaut. Dies war jedoch eine vorübergehende Lösung, die vom Krim-Krieg hervorgerufen wurde. Die an die Artillerie des neuen Typs angepasste Befestigung musste jegliche gemauerten Wände vor dem Beschuss schützen; dem Feind durften nur ca. 12 m dicke Wälle und Aufschüttungen zugewendet werden. Die Mauern mussten mit so schmalen Gräben verdeckt werden, dass ein unter einem Winkel von 1:4 herunterfallendes Geschütz keine Chance hatte, diese zu erreichen. An erster Stelle im Festungsbau kam erneut Erde. Dabei waren alle Kurtinen und Bastionen von Zamość nicht nur gemauert und aufgedeckt, sondern auch noch mit hohe gelegenen, hunderten von Gewehrschießpunkten durchzogen und nicht gerade dick. Darauf ruhte der Artillerie-Wall. Das mehrfache Treffen mit modernen Geschossen würde die Außenwand der Galerie zerstören, die herabstürzenden Gemäuer hingegen würden auch den Wall mit sich in die Teife reißen. Mit einem Wort war Zamość in den 60er Jahren des 19. Jhs. ideal dafür entworfen und ausgeführt… um eine Festung des vorherigen Jahrhunderts zu sein. Sie war auf ihre Weise, wahrscheinlich zum letzten Mal in der Geschichte, die „ideale, wenn nicht sogar perfekte Stadt”, wobei diese Perfektheit zu dieser Zeit die Perfektheit… eines Puppenhauses war. Zamość war einfach zu klein im Vergleich mit den riesigen Polygon-Festungen. Es war immer noch sehr gut vorbereitet für die Verteidigung auf kleine Entfernungen, jedoch völlig ungeeignet für den Kampf auf lange Distanz. Der potenzielle Feind konnte sie leicht erobern, das Abwenden jedoch konnte ein Blutmeer kosten. Unter diesen Umständen musste die Festung von Grund auf modernisiert, oder zerstört werden. Die Russen entschieden sich für Letzteres.