Arte et Marte
– aus dem Festungsarchiv
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Die bastionäre Befestigung machte andere Weisen ihrer Eroberung notwendig, als die mittelalterlichen Befestigungen. Natürlich wurden wie früher der Überraschungsangriff verwendet, der die Verteidiger überraschen sollte, oder die dichte Absperrung, die die Festung von der Versorgung trennen sollte, eingesetzt. Teilweise kam es auch zur „Bombardierung“ – einem konzentrierten, intensiven Artilleriebeschuss, der materielle Schäden verursachen sollte, die Moral der Verteidiger brechen und diese letztendlich zur Kapitulation zwingen sollte. Am wirkungsvollsten war jedoch immer die Führung eines „regelmäßigen Angriffs“, der auf den Prinzipien beruhte, die in vielen Abhandlungen über die Kriegskunst beschrieben wird. Der „Regelmäßige Angriff“ hatte immer vier Abschnitte:
Zeichnung mit zweifelhaftem künstlerischen Wert, die jedoch auf naive aber treue und glaubwürdige Weise den Festungskampf darstellt, in der Realität der ersten Hälfte des 18. Jhs. Angriff auf Danzig am 9./10. Mai 1734.
  • Vorbereitung des Angriffs, bei dem die Auskundschaftung der Festung und der Bau zweier Linien von Feldbefestigungen um diese herum (oder auch nur von einer ausgewählten Seite aus) durchgeführt wurde: in einer Entfernung von ca. 750-1200 m von den angegriffenen Wehrbauten (die sog. Kontervolte-Linie), die die Angreifer vor „Ausflügen” der Verteidigerarmee schützte; die zweite Linie von Befestigungen in einer Entfernung von etwa 1350-1800 m von der Festung (die sog. Zirkumvalations-Linie) sicherte die Angreifer der Festung vor eventuellen Handlungen der Armeen des Gegners, die zu Hilfe kamen. Auf beiden Linien wirden Erdschanzen erbaut, manchmal mit Wällen miteinander verbunden. Natürlich kam es vor, dass man, wenn die Geländebedingungen dies erlaubten, auf den Bau beider Linien verzichtete, und sich auf die bestehenden Befestigungen in der Nähe von Bebauung beschränkte, oder selbst nur ein dichtes Netzwerk von Posten und Schutzdivisionen einrichtete.
  • Näherungsangriff, der auf dem Bau von Zig-Zag-förmigen Gräben beruhte, die in Richtung der angegriffenen Festung führten, sog. Bollwerke oder Schanzen, die die verdeckte Bewegung der Sturm- und Artilleriedivisionen ermöglichten. Die Gräben waren auf die angegriffenen Stellen der Festung, für gewöhnlich die Bastion oder den Ravelin, ausgerichtet, seltener auch auf die Kurtine. Bei den Bollwerken, für gewöhnlich an ihren Bruchstellen, wurden Redouten eingerichtet – Artillerie-Batterien. Unmittelbar nach der Aufschüttung einer weiteren Redoute wurden darauf Geschütze aufgerollt und der Beschuss des ausgewählten Festungsorts begonnen.
  • Ausführung eines Ausbruchs in den Befestigungen; dieser ermöglichten die Stürmung und Eroberung der Festung. Meistens wurde dieser von der Belagerungs-Artillerie durchgeführt. Zur Erhöhung der Effektivität des Artilleriefeuers war die maximale Annäherung der Ausschlags-Batterie an den beschossenen Festungsabschnitt notwendig. Dies war die Bedingung für die Zielgenauigkeit des Feuers. Zur Ausführung von 1 m2 Ausbruch war das Treffen einer Stelle mit mehreren Dutzend Geschossen erforderlich, was den langfristigen Beschuss mit gleichzeitiger Dämpfung der Auswirkung der Festungsartillerie durch die anderen Geschütze an den restlichen Batterien erforderlich machte. Manchmal wurde der Ausbruch in der Mauer mithilfe unterirdischer Minen gemacht. Zwecks Verlegung einer Mine wurden unter dem Fragment der angegriffenen Befestigungen Minengalerien gegraben. Der Zugang zu diesen befand sich beim Bollwerk, ca. 45-90 m vom Ziel entfernt. Die Ausführung von Minengalerien mit der Bergbaumethode dauerte meistens sehr lange – meistens bis zu ca. 4 lm/Tag. Nach der Führung des Tunnels zum angegriffenen Teil der Befestigungen wurde dort eine Kammer für das explosive Schießpulver gegraben, das mit einer Zündschnur gezündet wurde. Manchmal bauten die Verteidiger der Festung eigene Galerien, um durch die Explosion der darin angelegten Gegenminen die Tunnel der Angreifer zu verschütten. Manchmal wurde die Anti-Minen-Galerien zusammen mit der Festung erbaut, was eine schnelle Zündung der zuvor dort angelegten Explosivladungen ermöglichte, an den Stellen, die vom Sichtpunkt der Verteidiger am günstigsten waren. Die Verteidiger der Festung zerstörten mit dem Feuer der eigenen Artillerie die Geschütze und Befestigungen der Angreifer und beseitigten die Besatzung und Bewaffnung der Batterien durch „Ausflüge“ der Verteidiger sowie Divisionen, die Minenarbeiten ausführten.
  • Der Sturm der Festung begann unmittelbar nach der Durchführung des Ausbruchs (meistens mehrerer Ausbrüche). Die Angreifer mussten den Graben bezwingen (dessen Hänge meistens lokal zerstört werden mussten, um einen normalen Abgang zu ermöglichen, manchmal musste der Graben lokal zugeschüttet werden), dem Feuer der Geschütze in den Bastionsschultern und zusätzlich erbauten Verschlägen* standhalten (was die Deckung mit einem konzentrierten Beschuss durch die eigene Artillerie erforderte), schließlich durch den Ausbruch auf die beschädigten Befestigungsreste klettern und im Kampf die Verteidiger besiegen. Dies war keine einfache Aufgabe. Eine gut gebaute und richtig versorgte Festung war nur sehr schwer zu erobern, die Belagerungen dauerten lange Monate, und banden wichtige Divisionen der angreifenden Seite an einer Stelle. Andererseits gaben auch starke Festungen, die schwach geführt wurden, sehr schnell auf, ohne Bedeutung der Verteidigungswerte.